Nicht ganz so gute Nächte

Zwanzig Minuten nachdem Martin mit voller Kraft gegen einen Laternenpfahl geboxt hat, ist seine Hand beinahe auf die doppelte Größe angeschwollen. Aber das scheint ihn gar nicht zu interessieren.

Jetzt steht er plötzlich wieder vor dir, eine noch geschlossene Bierflasche unter den Arm geklemmt. In der unbeschadeten Linken hält er einen in Alufolie eingewickelten Döner. Du hattest gedacht er wäre direkt nach Hause gerannt. Hatte gebrüllt wie ein verrückter Urzeitmensch, der es mit einem Säbelzahntiger aufnimmt und dem selbst schon klar ist, dass es jetzt mit ihm zu Ende geht. Total wahnsinnig. Einfach losgelaufen und um die nächste Ecke verschwunden.

Martin schwankt so sehr, beinahe berühren sich eure Nasenspitzen. Du legst eine Hand auf seinen Hinterkopf, drückst seine Stirn an deine und strubbelst sein kurzrasiertes Haar. Geistesabwesend versucht er mit nur einer Hand die Folie von seinem Imbiss zu reißen. Völlig unmöglich. Also nimmst du ihm die Arbeit ab und fühlst dich dabei, als würdest du einem kleinen Jungen sein Pausenbrot schmieren. Der Dank ist ein versoffenes Schmatzen. Seit Martins filmreifen Abgang hat keiner von euch mehr etwas gesagt. Dir ist auch gar nicht nach reden. Du hast genug geredet. Reden ist anstrengend. Die ersten Worte sind nicht deine. Und sie müssen sich erst einmal an grob zerkautem Fastfood vorbeipressen.

„Whm ihf fhe immh fho! Dfi dfhme fhtze! Whm ihf fhe immh fho?“

„Fick dich, ich versteh kein Wort.“

Du wischst dir den Tzaziki aus dem Gesicht und fegst etwas Lammfleisch von deiner Jacke. Martins Aussprache ist nicht nur komplett unverständlich sondern auch feucht. Du wendest ihm den Rücken zu, blickst auf die Eisenbahnbrücke und wünschst dir einen schwerbeladenen Güterzug herbei. Ein Rauschen und Donnern, das alles verschluckt. Aber da kommt gar nichts. Nicht mal eine S-Bahn.

„Warum ist sie immer so.. So! Warum ist sie immer so!“

Seine Stimme ist gar nicht mehr wütend. Gar nicht mehr wahnsinnig. Einfach nur müde und verwirrt.  Du drehst dich wieder um und lügst. „Ich weiss es doch auch nicht.“ Was soll es bringen alles noch einmal durchzukauen. Wenn ihr jetzt wieder von vorne anfangt, bricht er sich am Ende auch noch die andere Hand.

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